SIV Infos – Die Zertifizierung wird zum entscheidenden Beurteilungskriterium (Allemand)

Die Zertifizierung wird zum entscheidenden Beurteilungskriterium

Mit der Personenzertifizierung nach ISO 17024 ist den Verbänden CEI, SIV und SEK/SVIT ein Durchbruch für Schweizer Immobilienschätzer gelungen. Im Dezember 2014 haben die ersten Zertifizierungen stattgefunden. SIV Infos hat je einem Vertreter aus der Deutschschweiz (Dr. David Hersberger), der Westschweiz (Fabrice Orlando) und dem Tessin (Stefano Lappe) den Puls gefühlt.

Neu können sich Immobilienbewerter nach ISO 17024 zertifizieren lassen. Ihre Reaktion?
Dr. David Hersberger: Die Personenzertifizierung nach der Norm ISO 17024 ist ein europäisches Qualitätslabel und bietet jedem zertifizierten Experten einen grossen Mehrwert.
Stefano Lappe: Für mich wars noch das letzte fehlende Puzzleteil nach dem MAS Real Estate Management in Valuation, den ich 2014 abschloss. Ich wollte mir selber beweisen, dass ich es kann. Und ich glaube, jeder aktive Schätzer sollte die Ambition haben, nach ISO und auf gesamtschweizerischem Niveau zertifiziert zu sein.

Weshalb haben Sie sich zertifizieren lassen?
Dr. David Hersberger: Ich wollte die Einführung der Personenzertifizierung in der Schweiz im Fachgebiet Immobilienbewertung unterstützen und war auch von einem persönlichen Mehrwert überzeugt.
Fabrice Orlando: Zusammen mit meinen Kollegen des CEI-Vorstands habe ich mich an der Ausarbeitung der Zertifizierung beteiligt. Das macht stolz. Gleichzeitig war es für mich selbstverständlich, die nötigen Schritte zum Zertifizierungsantrag zu unternehmen. Zudem ist die Aufwertung des eigenen Berufsprofils durch die landesweite Registrierung als Schätzungsexperte sehr attraktiv.
Stefano Lappe: Ich bin der Meinung, dass langfristig eine den Verbänden übergeordnete Zertifizierung der einzige mögliche und nachhaltige Weg in der Branche ist.

Weshalb ist diese Personenzertifizierung nach ISO 17024 wichtig?
Fabrice Orlando:
Für die Branche als Ganzes stellt die Einführung dieser Zertifizierung einen wichtigen Schritt zur schweizweiten Standardisierung unseres Berufs dar und bringt diesem die nötige Anerkennung als offizieller Berufsstand sowie eine Aufwertung insgesamt. Den Auftraggebern garantiert die Zertifizierung die Fachkompetenz, Erfahrung, Spezialisierung und Unabhängigkeit des von ihnen beauftragten Immobilienschätzers. Und für die Experten selbst bringt sie eine zusätzliche Chance, sich im Beruf noch besser zu qualifizieren. Zusätzlich werden sie in ein gesamtschweizerisches Register aufgenommen, das vielen Auftraggebern als Bezugsquelle dienen wird.
Dr. David Hersberger: Die Interessen in der Bewertungsbranche werden in der Schweiz durch verschiedene Verbände vertreten. Die Zertifizierung ist ein gemeinsames Qualitätslabel, das auch im europäischen Ausland bekannt ist. Die Zertifizierung stellt, wie Fabrice Orlando sagt, für den Experten zudem einen wettbewerbsrelevanten Mehrwert dar und bietet dem Auftraggeber Sicherheit bei der Auftragsvergabe.
Stefano Lappe: Die Branche muss sich der Zeit anpassen und im Sinne eines «Upgrading» neben bewährten Kursen (CAS, MAS) eine Art Kontrolle einführen, ob der Bewerter auch in der Praxis qualifiziert und erfahren ist. Mit einer Zertifizierung, die strengen Voraussetzungen unterliegt, ist der richtige Weg eingeschlagen. Und ein wichtiges Qualitätsmerkmal für den Bewerter geschaffen.

Wie beurteilen Sie das Verfahren?
Dr. David Hersberger: Die Zertifizierungsverfahren werden durch die SEC (Swiss Experts Certification SA) gemäss der Norm ISO 17024 nach einem strikt geregelten Ablauf durchgeführt. Es besteht aus einer Vorprüfung und der Zertifizierungsprüfung (mit den durch die Verbände gestellten Fachprüfern). Der Verfahrensablauf ist zielgerichtet und zweckmässig, jedoch insbesondere bei der Zusammenstellung der Dokumente mit einem gewissen Aufwand verbunden.
Fabrice Orlando: Korrekt. Das Zusammenstellen des Antragsdossiers für die Zertifizierung dauert seine Zeit. Es empfiehlt sich deshalb, so früh wie möglich damit zu beginnen. Beim Prüfungsgespräch handelt es sich um eine Diskussion zwischen Berufskollegen über die Immobilienbewertung allgemein. Danach werden einige der eingereichten Gutachten angeschaut und die Berechnungsarten kurz besprochen. Eine Gegenüberstellung der Schätzungsmethoden, der gewählten Wertelemente oder des allgemeinen Ansatzes eines Gutachtens ist stets bereichernd.
Stefano Lappe: Die Ansprüche, die im Rahmen der Zertifizierung an uns Bewerter gestellt werden, sind streng, jedoch korrekt, das Vorgehen absolut neutral; dies insbesondere auch deshalb, weil die Prüfungskommission aus Mitgliedern verschiedener Verbände zusammengesetzt ist.

Gab es etwas Überraschendes, ein Aha-Erlebnis, eine Anekdote o.ä.?
Dr. David Hersberger: Die Zertifizierung hat für mich einen neuen und erweiterten Erfahrungsbereich erschlossen.
Fabrice Orlando: Die Tatsache, dass ich als Romand von einem Deutschschweizer und einem Tessiner Kollegen angehört wurde, war anfänglich etwas befremdlich. Doch schliesslich lief alles bestens, sprach einer der beiden doch perfekt französisch.
Stefano Lappe: Ich musste etwas schmunzeln, als mir «vorgeworfen» wurde, eine EFH-Schätzung über dem Ertragswert bewertet zu haben (wo kein realer Ertrag ist, gibt es keinen Ertragswert). Da stiessen unterschiedliche Doktrinen aufeinander; letztlich ging es aber darum, die Methodik zu plausibilisieren. Es gibt eben nicht nur einen Weg nach Rom, das hat die Prüfungskommission berücksichtigt.

Wie wichtig erachten Sie, dass zertifizierte Schätzer alle fünf Jahre rezertifiziert werden?
Stefano Lappe: Eine regelmässige «Nachkontrolle» ist der einzige Weg, um die Zertifizierung langfristig glaubwürdig zu machen. Die Prüfung nach fünf Jahren muss bestätigen, dass der Schätzer weiterhin genügend Erfahrung hat (mindestens 24 Schätzungen pro Jahr), dass diese qualitativ gut sind (Einreichen von einigen Schätzungen) und dass er genügend fachspezifische Weiterbildung macht (mehrere Tage pro Jahr). Das ist Qualitätssicherung.
Dr. David Hersberger: Auch aus meiner Sicht macht eine Rezertifizierung absolut Sinn. Wissensstand und Erfahrung eines Experten müssen durch die Zertifizierung sichergestellt sein.
Fabrice Orlando: Ich verstehe die Rezertifizierung als «Qualitätskontrollmechanismus», der sehr motivierend wirkt. Die Prüfungswiederholung zwingt den Experten, stets auf dem neusten Stand zu bleiben und sich in aller Bescheidenheit regelmässig infrage zu stellen.

Weshalb sollten sich andere Schätzer ebenfalls zertifizieren lassen?
Dr. David Hersberger: Aus persönlichen, beruflichen und Marketingüberlegungen.
Stefano Lappe: Noch sind wir am Anfang; eine Weiterentwicklung steht an. Ein absoluter Mehrwert wäre, wenn die Zertifizierung eine automatische Akkreditierung bei institutionellen Investoren, FINMA, der öffentlichen Hand bedeuteten würde. Daran müssen wir arbeiten.
Fabrice Orlando: Ich bin der Meinung, dass die Zertifizierung bereits in naher Zukunft für die Wahl eines Schätzungsexperten zum entscheidenden Beurteilungskriterium wird.

Article SIV Infos paru en février 2015, propos recueillis par Sibylle Jung

SIV Infos février 2015